Steinbach am Attersee enthüllt alte Gedenktafel
Am 11. November 1918 endete der WK I und damit auch die jahrhundertealte Monarchie. Es wurde die 1. Republik ausgerufen. Zum 100-Jahr-Jubiläum dieser denkwürdigen Ereignisse hat die Gemeinde Steinbach am Attersee in Zusammenarbeit mit dem OÖKB-Ortsverband ein festliches Gedenken vorbereitet.
Dies geschah mit einem Gedenkgottesdienst und der Enthüllung der wieder errichteten Gedenktafel des Kriegerdenkmals zum WK I. Im Festzug mit der Steinbacher Trachtenmusikkapelle und Fahnenabordnungen der Nachbarverbände, Vertreter der Gemeinde und Ehrengästen ging es am Morgen zur Gedenkmesse in die Pfarrkirche. Bevor Pfarrprovisor Mag. Janusz Zaba das Hochamt zelebrierte, begrüßte Obmann Diplomingeneur Albert Zopf die Anwesenden. (Verlauf und Ansprachen bitte unten weiterlesen)
Historischer Rückblick
Am Ende der feierlichen Messe wurde eine Leinwand aufgestellt, auf der historische Bilder zur Festansprache von Bgm.in Nicole Eder gezeigt wurden. In ihrer eindrucksvollen Rede schilderte die Bürgermeisterin die Umstände der Zeit, die Erwartungen der Menschen und die fürchterlichen Entwicklungen, die damals und danach in Realität zu ertragen waren. Große Verluste an Menschen, Hunger, Leid und Sorgen, verursacht durch einen sinnlos vom Zaun gebrochenen Krieg. Ein tiefer Einschnitt für die kleine 578-Seelen-Gemeinde, in der fast alle Familien ihre Männer im besten Alter auf die Schlachtfelder schicken mussten.
Von den 115 stehen 18 Namen auf der wiederentdeckten, Tafel die der damalige Pfr. Pargfrieder als erstes Steinbacher Kriegerdenkmal errichten ließ.
Sie kehrten nicht mehr heim und waren für Heimat und Vaterland gefallen. Mit der Verlesung der Namen und dem Entzünden einer Kerze für jeden von ihnen wurde ihrer in ehrenvoller Weise gedacht. Zum Abschluss der Gedenkfeier haben sich Ehrengäste, Gemeindevertreter und Verbände am Vorplatz des Friedhofs versammelt. Beim festlichen Spiel der Musik ist die sanierte Marmortafel neben dem Kriegerdenkmal von Obmann DI Albert Zopf und Bgm.in Nicole Eder feierlich Enthüllung worden. Mit der Segnung wurde sie wieder Teil des Steinbacher Kriegerdenkmals und soll künftig alle mahnen, am Frieden, dort wo sie können, mitzuwirken, damit keine neuen Tafeln mehr errichtet werden müssen. Auch wenn mit 73 Jahren die längste Friedensperiode in Europa herrscht, sollte dieser nicht als Selbstläufer betrachtet werden. Getreu dem OÖKB-Leitsatz „Wir fördern Frieden“ soll sich jeder/jede daran beteiligen, unsere Welt zu einem friedlicheren Ort zu machen.
Dank den Unterstützern
Mit dem Dank an den Pfarrer, die Bürgermeisterin, alle Ehrengäste und Formationen sowie die Musikkapelle beendete Obmann DI Albert Zopf den Festakt. Anschließend waren alle Gäste und Kameraden von der Gemeinde zum Mittagessen eingeladen. Bedauerlicherweise waren Pfarrer Mag. Szabo und die Musiker verhindert.
Ansprache Bürgermeisterin Nicole Eder – Steinbach am Attersee
Sehr geehrte Festgäste und Kameradschaftsbünde!
Vielen herzlichen Dank an alle, dass Sie unserer Einladung zur Gedenkmesse gefolgt sind, Danke an die Musikapelle D´Schobastoana für die feierliche, musikalische Gestaltung der Messe und anschließend beim Kriegerdenkmal- ihr verleiht der Veranstaltung einen sehr würdigen Rahmen! Das Jahr 2018 ist ein geschichtsträchtiges Jahr. Der OÖKB Steinbach unter Obmann Ing. Albert Zopf und die Gemeinde Steinbach in Zusammenarbeit mit der Pfarre, würdigen dies mit der heutigen Gedenkveranstaltung. Ende des 1. Weltkriegs und von noch größerem Stellenwert, die Gründung der 1. Republik, heute fast am Tag genau vor 100 Jahren!
Machen wir nun gemeinsam eine Reise zurück ins Jahr 1914:
Am 28. Juni 1914 wird Erzherzog Franz Ferdinand ermordet darauf folgend unterzeichnet Kaiser Franz Josef in Bad Ischl in der Kaiservilla die Kriegserklärung an Serbien im Glauben, dass der ausgerufene Krieg nur wenige Tage dauern sollte…man irrte sich, wie wir heute wissen ganz gewaltig! Es dauert vier Jahre, es war ein harter Krieg, aus dem Zwiespalt zwischen Österreich-Ungarn und Serbien entstand ein Weltkrieg und forderte 14 Milllionen Tote! 115 Soldaten aus unserer Heimatgemeinde rückten mit der aufgebürdeten Pflicht zur Verteidigung des Vaterlandes ein. 80 Soldaten kamen im Februar 1919 wieder nach Hause. Zwölf Soldaten kamen im Februar 1920 zurück, fünf galten als vermisst und achzehn Männer wurden Opfer und sind gefallen!
1910 hatten die Gemeinde 578 Einwohner, das heißt, es mussten fast 20% der männlichen Bevölkerung einrücken, im Glauben und mit der Hoffnung bald zurück zu kehren. Wir wollen auch ganz bewusst heute an jene denken, die unfreiwillig allein zurückblieben und von großen Sorgen durch das Fehlen ihrer Lieben geplagt waren. Ihre Namen stehen auf keinem Mahnmal, sie bleiben meist vergessen. Die 1. Grundmobilmachung wurde vermutlich durch unseren damaligen Pfr. Pagfrieder durchgeführt. Er musste 30 Männer aus seiner Pfarre Steinbach verständigen. Sie wurden laut Überlieferung damals beim Dampfersteg mit Klängen der Musikkapelle aus Steinbach verabschiedet. Die Namen dieser ersten 30 Soldaten wurden allerdings damals nicht vermerkt. Von den darauf weiter aus Steinbach einrückenden Männer gibt es Aufzeichnungen von Pfr. Pagfrieder, weshalb wir ihre Namen kennen. In besonderen Gedenken an diese gefallenen 18 Steinbacher werden wir die vom Kameradschaftsbund renovierte und aus dem Heizhaus der Kirche hervor geholte historische Marmortafel anschließend segnen und zu Ehren dieser Männer eine Erinnerungskerze entzünden.
Wir sind im Jahr 1918
Vier harte Kriegsjahre liegen hinter der Bevölkerung. Zurück gebliebene Frauen und Kinder, Höfe ohne Nachfolger, Armut, ein bitter kalter Winter, Hunger bedrückten die Menschen und große Not war überall präsent im Alltag! Dennoch war der Glaube an Gott ein wichtiger und oft der einzige Strohhalm. Er bewahrte die Menschen vorm Verzweifeln und ließ sie hoffen auf eine bessere Zukunft. Am 21. Oktober 1918 konstituierten sich die deutschsprachigen Reichsabgeordneten im Sitzungszimmer des NÖ Landhauses als „provisorische Nationalversammlung des selbstständigen deutschösterreichischen Staates“. 220 Abgeordnete trafen zusammen. Es gab zu diesem Zeitpunkt keinen Staat und keine Staatsgrenzen. Der Staatsrat wurde einberufen und ein provisorisches Grundgesetz beschlossen das die neu definierte Staatsgrenze festgelegte. Die Staatsfarben Rot-Weiß-Rot und ein vorläufiges Staatswappen wurden am 31. Oktober 1918 beschlossen.
Und nun zum 11. November 1918 hundert Jahre zurück :
Es ist das Ende der Monarchie und das Ende des 1. Weltkriegs! Der nächste Tag, der 12. November 2018 geht in die Geschichte ein: Hunderttausende Menschen versammelten sich in Wien vor dem Parlament. Präsident Franz Dinghofer und Staatskanzler Dr. Karl Renner proklamieren die 1. Republik! Diese benennt sich zu diesem Zeitpunkt noch Republik Deutschösterreich. Erst nach dem Friedensvertrag von Saint Germain im Herbst 1919 wird der Namen in Republik Österreich abgeändert!
Damit sind wir in der Zwischenkriegs-Ära von 1918-1937 angelangt.
Den Menschen stand das Wasser bis zum Hals. Sie litten entsetzlichen Hunger. Grundnahrungsmittel waren kaum noch vorhanden. Im Frühling 1919 war die Not besonders drückend. Für Kleinkinder gab es nur mehr Trockenmilch. Ein ½ kg Mehl, 1,2 kg Brot, ½ kg Kartoffeln, 6 dag Fett gab es rationiert für einen Erwachsenen pro Woche! Tausende Menschen starben bei der Epedemie mit der Spanischen Grippe. Es gab ja keine Medikamente. Kinder erkrankten auf Grund fehlender kalkhaltiger Nahrung an der Ruhr. Sie blieben zeitlebens verkrüppelt und wurden unfreiwillig Opfer dieser schlechten Zeiten! Geldinflation, Hunger, Arbeitslosigkeit sind allgegenwärtig. Die hohe Arbeitslosigkeit war durch die schlechte wirtschaftliche Allgemeinlage bedingt. Die Industrie lag völlig am Boden. Heimgekehrte Kriegssoldaten fanden keine Arbeit. In der 1. Republik ist es der Politik nicht gelungen eine der wesentlichsten und vordringlichsten Aufgaben zu lösen, den Menschen Arbeit und Brot zu sichern. 1933 war der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit erreicht, viele Betroffene wandten sich von der Politik ab, sie verloren den Glauben an den Staat und die Demokratie. Diese Massenarbeitslosigkeit damals steht daher meiner Meinung nach im engen Zusammenhang mit dem Aufstieg totalitärer Herrschaftsformen. Die Not war der Boden, auf dem Nationalsozialismus und Faschismus gedeihen konnte!
Die 1. Republik war außerstande, die Probleme und Nöte sowie den Hunger zu beenden. Darin liegt vermutlich einer der wesentlichsten Gründe für ihren Untergang. Die folgenden Jahre lasse ich heute außen vor. Wesentlich zu erwähnen ist, dass nach dem 2. Weltkrieg, am 27. April 1945 Staatskanzler Karl Renner erneut die Republik Österreich ausgerufen hat. Die ersten freien Wahlen fanden am 25. November 1945 statt. Es dauerte noch bis 1955, dass die letzten Soldaten Österreich verließen und der Staatsvertrag unterzeichnet wurde. Bei meinen Vorbereitungen zu dieser Gedenkmesse hatte ich mich ganz bewusst mit diesem Thema auseinander zu setzen. Mein Fokus lag dabei natürlich auf den Ereignissen in Steinbach. Obmann Ing. Albert Zopf führte mit mir mehrere Gespräche und uns war es ein Anliegen, von jenen Soldaten deren Namen auf der renovierten Tafel stehen, zu berichten. Ihre Geschichte zurück zu verfolgen war nicht einfach. Am vielversprechendsten kristallisierte sich die von Josef Zopf heraus. Seine Geschichte steht heute stellvertretend für alle im Vordergrund weil alle Gefallenen ähnliche Schicksale erlebten.
Sein Sterbebild ließ mich intensiver recherchieren. So war Josef Zopf- „Bauer am Lehingergute“ in Steinbach am Attersee. Es kursierten Erzählungen, dass dieser Knecht gewesen sei. Aber ich dachte mir, da kann etwas nicht stimmen, denn zu jener Zeit mussten die Hinterbliebenen um Sterbebilder anfertigen zu lassen, eine beschwerliche Reise zur Druckerei Heitzendorfer nach Vöcklabruck antreten. Es wäre gegen Ehre und Glauben gewesen einen „Knecht“ als „ Bauer“ zu bezeichnen.
Ich zitiere nun den Text von seinem Sterbebild:
Die Pflicht rief mich zum Krieg hinaus, mit Gott ging ich von meinem Haus. Ich dachte euer fort und fort, wenn ich auch weilt´ an fremdem Ort und freute mich auf ein Wiedersehen, wenn Krieg und Sturm zu Ende geh´n; doch anders hat´s der Herr gewollt und hat von hier mich abgeholt, nun ruh in fremder Erd´ mich aus und bin in Gottes Vaterhaus. Weiß nichts von Krieg und Erdenleid und bin von jeder Sorg befreit. Liebe Gattin und Vater tröstet euch daran, “ Was Gott tut, das ist wohlgetan“.
Ich danke der Familie Lindenbauer, dass ich Einblick in ihre Familienchronik nehmen durfte und für die Zusammenarbeit. Dadurch wurden wir fündig und wir hatten Recht mit unserer Vermutung: Josef Zopf war „Bauer des Lehingergutes“. Er wurde 1908 der Ehemann von Elisabeth Kriechbaum, der Besitzerin des Schweinzergutes, das direkt schräg gegenüber des Lehingergutes stand. Es war nachbarschaftliche Liebe, die die beiden traf. Leider wurde Elisabeth Zopf 1915 Witwe, da ihr Mann im 32. Lebensjahr versehen mit den hl. Sterbesakramenten in Leibnitz/Ost Mähren, der heutigen Ost Slowakei, starb. Er wurde auch dort begraben.
Ich habe vorher von jenen gesprochen, die wir heute nicht vergessen dürfen. Es waren die Frauen, die die Höfe erhalten und schwere körperliche Arbeit verrichten mussten. Solche wie Elisabeth Zopf. Wie ging es damals weiter?
Ein gewisser Leopold Lindenbauer aus der Nachbargemeinde Neukirchen, kam 1919 nach Steinbach, er hatte drei Brüder und alle vier konnten aus dem Krieg heimkehren. Wenige Familien hatten dieses große Glück. Leopold heiratete Elisabeth Zopf 1920 und die Erbin des „Lehingergutes“ erhielt nun den Namen Lindenbauer. Einer seiner Brüder namens Johann Lindenbauer kam auch nach Steinbach ans „Kreuzergut in Unterfeichten“. Leopold Lindenbauer holte seinen leiblichen Neffen Franz Lindenbauer aus Nußdorf zu sich auf den Hof und vererbte ihm diesen. Sein Sohn Johann Lindenbauer übergab ihn den heutigen Besitzern von Johannes und Maria Lindenbauer. Und so bestätigte sich letztendlich, dass unser Josef Zopf tatsächlich Hofbesitzer und Bauer des „Lehingergutes“ war, so wie es am Sterbebild stand.
Auf unserer Einladung zur Messe stand das vorgegebene Logo vom Bund zur Ehre und Gedenken der Gründung der 1. Republik unterlegt mit den Worten: „Gestern- heute- morgen“. Über das Gestern habe ich ausführlich berichtet. Das Heute kennen wir und bereitet mir persönlich auch manche Sorgen. Für das Morgen habe ich eine Bitte: FRIEDEN es ist mein einziger Wunsch für unser Morgen. Als Bürgermeisterin wünsche ich mir Frieden in unserer Gemeinde, für unser Zusammenleben und Zusammenarbeiten, für unser aller Wohlergehen. Wir sind 2017 offiziell „Friedensgemeinde“ geworden, weil es mir wirklich ein Herzensanliegen ist. Hören wir nicht auf, unermüdlich für unseren Frieden zu wirken. Hören wir nie damit auf Frieden zu leben. Ich fange ganz bewusst bei mir persönlich an. Wenn jeder einzelne mit sich und seiner Familie, seinem Umfeld in Frieden lebt kann der großer Frieden in der ganzen Welt daraus werden.
Wir werden nun für jeden der gefallenen Soldaten und für seine Hinterbliebenen eine Gedenkkerze entzünden, ihre Namen verlesen. Wir wollen mit jenen 14 beginnen von denen es Bilder gibt. Für die restlichen vier zünden wir ebenfalls eine Kerze an. Ich ersuche Sie nun, in Gedenken an alle Opfer, sich von ihren Sitzplätzen zu erheben und Ihnen eine Gedenkminute zu widmen. Danke!