Was war? Was wurde? Wie wird es weitergehen?
„QUO VADIS EUROPA – 30 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs“ war der Titel einer äußerst interessanten Veranstaltung zu der die Raiffeisenlandesbank OÖ mit dem Verein Denkmal Eiserner Vorhang am 22. Oktober ins Raiffeisenforum nach Linz eingeladen hat. 600 Gäste verfolgten hochkarätige Referate und eine aufschlussreiche Podiumsdiskussion. Dabei haben Raiffeisenlandesbank Präsident NR/Bgm.a.D. ÖR Jakob Auer, Staatssekretär a. D. Dr. Helmut Kukacka, Finanzminister Dipl. Kfm. Eduard Müller, Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer, Botschafterin Dr. Irvana Cervenková, und Osteuropa-Experte Prof. Gerhard Mangott sowie Raiffeisenlandesbank Generaldirektor Dr. Heinrich Schaller zuerst ihre persönlichen Eindrücke und Erlebnisse während und nach dem Umbruch geschildert.
Erfolg trotz Risikos und Ängsten
Im Dezember 1989 durchschnitt der damalige Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck mit Südböhmens Kreisvorsitzendem Miroslav Senkyr bei Wullowitz den Stacheldrahtzaun. Ein Ereignis das im Prozess des Zusammenbruchs des ehemaligen Ostblocks große Beachtung fand. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist Europa Richtung Osten rasch gewachsen. Trotz teilweiser chaotischer Ereignisse und undurchsichtiger Vorgänge sind die Planwirtschaften der sozialen Marktwirtschaft und die Diktaturen der Demokratie höchst erfolgreich gewichen.
Von der Rand- zur Zentrallage
Die ehemalige CSSR ist in die Staaten Tschechien und Slowakei geteilt worden und benachteiligte österreichische Randlagen haben sich zu Gebieten in europäischer Zentrallage entwickelt. Ängste wie die Überflutung des heimischen Arbeitsmarktes mit Arbeitskräften aus den östlichen Nachbarstaaten haben sich als völlig haltlos erwiesen. Auch die Niederlassung westeuropäischer Betriebe im Osten haben mehr Arbeitsplätze in ihren Herkunftsländern gebracht, als sie dort gekostet haben. Sie haben den Binnenmarkt und Europa als globalen Handelspartner gestärkt.
Tschechien und Oberösterreich eine Erfolgsgeschichte
Botschafterin Irvana Cervenková und Landeshauptmann Thomas Stelzer berichteten wie schnell und erfolgreich die Entwicklungen voran schritten und lobten die Zusammenarbeit beider Länder in den höchsten Tönen. Wie diese Jahre in seiner Heimat, dem Burgenland, verliefen hat Bundesminister Dipl. Kfm. Eduard Müller ebenso sehr emotionell geschildert. Auch er zeichnete ein sehr erfreuliches Bild der Entwicklungen seither. Österreich ist immer wieder die positive Erinnerung der Ungarn an die gemeinsame Vergangenheit in der Habsburger Monarchie zu Gute gekommen. Auch das Verhalten in Krisenzeiten hat von Beginn an die vertrauensvolle Zusammenarbeit gestärkt.
Vom Friedens- zum Erfolgsprojekt der Ökonomien
Das ursprüngliche Friedensprojekt Europa entwickelte sich auch zum wirtschaftlichen Erfolgsprojekt EU. RLB-Generaldirektor Heinrich Schaller stellte eindeutig fest das Oberösterreich vom Fall des Eisernen Vorhangs besonders stark profitiert hat. Raiffeisen ist dabei ein Vorreiter gewesen und hat als erste ausländische Bank, in Tschechien eine Filiale – nämlich in Brünn – eröffnet. Viele anfängliche Ängste entpuppten sich als Chancen. Generelle Befürchtungen erwiesen sich als völlig unbegründet, das wissen wir heute. Daraus sollten wir lernen das fast alles erreichbar ist, wenn es vom gemeinsamen Willen das Beste zu erreichen, getragen wird. Dieser sollte auch in Zukunft nicht erlahmen.
Die kritische Frage: Quo Vadis Europa?
Ein sehr kontroverses Bild entwarf der Politikwissenschafter und Osteuropa-Experte Prof. Dr. Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck. Er hat viele derzeitigen Auffassungen zu der Geschichte des Ostblocks als vom Westeuropa geprägte Wunschinterpretation bloßgestellt. Europa reklamiert den Fall des Eisernen Vorhangs als Triumph des Wettrüstens durch den Westen für sich. Die Westeuropäer sehen alles noch immer sehr kleinräumig bzw. national und europäisch zentriert. Nach seiner Beurteilung fehlt der EU der notwendige Weit- und Überblick. Dies drückt sich im Fehlen gemeinsamer Haltung im Zusammenhang mit globalen Entwicklungen, dem Fernen Osten und der USA, sowie in seinem gespaltenen Verhältnis zu Russland, aus. Die EU ist nach seinem Dafürhalten militärisch machtlos, politisch uneins und daher schwach aufgestellt und das in sehr turbulenten Zeiten von Neuordnung.
Wer zu spät kommt den straft die Geschichte!
Es werden täglich Weichen gestellt die große Auswirkungen auf Sicherheit und Wohlergehen in Europa haben. Daher braucht es mehr EU an den wichtigen Stellen um mit schnelleren Entscheidungen die Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Gemeinsame globale Strategien und gemeinsame Sicherheitsstrukturen müssen rasch auf den Weg gebracht werden. Mit seine scharfsinnigen Betrachtungen regten Prof. Mangold die Diskussionen über die künftigen Chancen und Gefahren an.
Erfolgsmodell – Zusammenhalt = Gemeinschaft stärken
Vieles davon bestätigte und unterstrich die folgende Podiumsdiskussion. Es blieb aber auch kein Zweifel daran, dass nur eine starke europäische Gemeinschaft die Antwort auf künftige Herausforderungen sein kann. Sie muss schnellere Entscheidungsstrukturen schaffen und noch enger zusammenarbeiten. Nur vertrauen in die Gemeinschaft kann ihre wahren Kräfte entfalten. Dazu muss die EU Mut haben aus den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zu schöpfen um ehest seine Rolle als aktiver Player in einer globalen Welt wahrzunehmen. Wer zu spät kommt den … wissen wir ja! Auch das Friedensprojekt ist niemals abgeschlossen.