65. Jahre Staatsvertrag

Viel mehr als ein Friedensvertrag – unser Staatsvertrag!

Am 15. Mai 1955, vor 65 Jahren, unterzeichneten die Alliierten den österreichischen Staatsvertrag. In den schwierigen Jahren nach Kriegsende und großer Not wurde mit allen Mitteln und auf allen Wegen um die Wiedererrichtung Österreichs als unabhängiger und selbstbestimmter Staat gekämpft. Es fehlte an Allem. Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Soziales, alles war unter den Augen der Siegermächte neu aufzustellen. Trotzdem verlor die Regierung dieses schier unvorstellbare Ziel des kleinen Österreichs nie aus den Augen. (Unabhängigkeitserklärung Österreichs 27. April 1945 → hier klicken)

Die Welt wurde neu geordnet.

Schon in den letzten Kriegsmonaten stieg das Misstrauen unter den Siegermächten und die Gegensätze ihrer politischen Systeme führten zu Kriegsende umgehend zur Neuordnung der Welt. Es entstanden die zwei Blöcke und der Kalte Krieg begann. Zu dieser Zeit war es für die Österreicher wie ein Marsch durchs Minenfeld. (Russische Stunde im Radio – Propagandasendung 1941 → hier klicken)

Trotz Hunger, Not ein größeres Ziel verfolgen.

Jeder Schritt, jeder Vorfall, jede Entwicklung musste in den Beziehungen gegenüber den Alliierten hinterfragt werden.  Keine Fehler machen, die richtigen Leute mit den richtigen Beziehungen und mit dem größten diplomatischen Verstand hatten das „dicke Brett“ zu bohren, bis die Zeit reif war. Als die Konstellation unter den Siegermächten im Hinblick auf die politischen Entwicklungen in Europa für einen Moment in der Geschichte passte war der richtige Zeitpunkt da. (Leopold Figl spricht über das Jahr 1945 → hier klicken)

Glück, Fleiß und Geduld

Ja, Österreich war ein Nebenschauplatz in der Ära der turbulenten Neuordnung der Welt. Trotzdem hing alles mit allem zusammen. Es konnten nur die klügsten unter Österreichs Staatsmänner, mit ihrem großartigen diplomatischen Geschick, einen Staats- und nicht nur einen Friedensvertrag aushandeln. (Ansprache von Julius Raab im Nationalrat Juni 1943hier klicken)

Staatsvertrag ist mehr als ein Friedensvertrag

Ein Friedensvertrag hätte zwar auch einen dauerhaften Frieden gebracht, aber zu welchem Preis? Friedensverträge schließt man mit Besiegten und Feinden. Stattdessen wurde Österreich durch den Staatsvertrag als befreiter selbstständiger Staat anerkannt. Es war nicht besiegter Teil des III Deutschen Reiches, sondern wurde damit als  das was es war, als besetztes Land anerkannt. Auch eine späte Folge des Verhaltens der Siegermächte vor dem 2. Weltkrieg. Um Hitler aus dem Weg zu gehen hatte sie in den Jahren in denen das nach der Monarchie 27 mal kleinere Österreich ums wirtschaftliche Überleben kämpfte, trotz diplomatischer Unterstützungsersuchen österreichischer Parteien und Politiker, weggesehen. Sie hatten es im Stich gelassen somit das Land den Fängen des Deutschen Reichs überlassen wurde. (Interview 1945 mit Staatbeauftragten Johann Blöchl dem „Vater des Mühlviertels“ →hier klicken)

Der Preis der Freiheit

Durch den Staatsvertrag ist Österreich aber nicht mit den Sanktionen eines Feindes belegt worden. Ja, unser Heimatland war besetzt.  Es war ja auch von den etablierten Nazies die alle politischen, verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Schaltstellen über Jahre beherrschten zu säubern.  Es musste mit verlässlichen neuen Politikern eine politische einwandfreien Verwaltung für einen lebensfähigen Staat aufgestellt werden. Dazu wurden auch immense Reparationsleistungen verlangt. z.B. vom Deutschen Reich errichtete Industrien die abtransportiert wurden oder frei gekauft werden musste. Von Österreichern angerichteter Schaden musste durch Reparationen mit Gütern, Rohstoffen oder Geld über Jahrzehnte beglichen werden. Verbrechen mussten gesühnt und zu Unrecht in Besitz genommene Güter waren zurück zu geben, mit allen Problemen die Österreich daraus bis heute erwachsen sind. Aber das alles war besser als, als Verlierer so wie nach dem Ersten Weltkrieg einen Friedensvertrag diktiert zu bekommen. (Bundespräsident Karl Renner spricht über die Regelungen für  Deutsches Eigentum in Österreich im Dezember 1945 → hier klicken)

Aus zwei Weltkriegen gelernt

Man hatte aus St. Germain nicht nur das gelernt. Auch sich nie mehr in einen Krieg hineinziehen lassen, Neutralität als Staatsprinzip einzuführen, eine bürgerliche Demokratie als Regierungsform und die Gleichheit der Bürger vor einer unabhängigen Justiz im Rechtsstaat, … Dass und vieles mehr sollten den neuen Staat vor innere und äußere Zerwürfnisse bewahren.  Es war der Geist des „nie wieder Krieg“ der daraus als Botschaft bis heute nachklingt. (Neujahrsansprache 1946 Bundespräsident Karl Renner → hier klicken)

Zusammenhalt, Vertrauen, Mut und Disziplin

Manches konnte nicht nach Wunsch oder zu 100% geregelt werden. Da war Südtirol und andere Themen die als bitteren Pillen zu schlucken waren. Frieden, Freiheit und soziale Errungenschaften führten zu ungeahnten Wohlstand welchen wir heute als selbstverständlich annehmen. Wichtige Zutaten des Erfolgs waren der Zusammenhalt bzw. Kameradschaft, die Bereitschaft mit Disziplin und Mut auch Härten zu ertragen, der Wille sich in schweren Zeiten selbst mehr als Andere anzustrengen und immer mit Mut in die Zukunft zu schauen. Das waren wichtige Grundlagen für den heutigen Wohlstand. (62. Nationalratssitzung Juni 1955 – Ratifizierung des Staatsvertrages hier klicken)

Gelerntes nicht vergessen ist die Wertschätzung fürs Erreichte!

Sie sind heute für viele, so wie unser Staatsvertrag, scheinbar bedeutungslos. Stattdessen sind wir dünnhäutig, wehleidig und fürchten uns auf gewohntes Verzichten zu müssen oder vor dem was Morgen verlangt werden könnte. Wie sehr wir den Geist unser Staatsgründer und der Kriegs- und Nachkriegsgeneration wieder notwendig haben zeigt uns die derzeitige Corona Krise. Es ist Zeit daran zu erinnern und mit Stolz und Mut das Werk fortzusetzen damit wir das was wir bekommen haben auch weiterzugeben können.


L E S E – E M P F E H L U N G

Denkschrift zur Geschichte des österreichischen Staatsvertrages und der Neutralität verfasst und zur Verfügung gestellt von Oberst i. R OÖKB Ehrenvizepräsident Dr. Peter Konecny anlässlich des 60. Staatsvertrags Jubiläums. (Beiträge hier klicken)

Zwei Beiträge aus der Serie Geschichte veröffentlich in der Südtiroler Tageszeitung „Dolomiten“ verfasst vom langjährigen Leiter des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck ord. Universitätsprofessor Dr. Rold Steininger, am 13. Mai 2020 „Der Staatsvertrag von Wien“ und am 15. mai 2020 „Die immerwährende Neutralität“ (www. rolfsteininger.at) (Beiträge hier klicken)